Seit Jahrhunderten wurden die Fahnen der Stadt und die der Schützengilde im Rathaus aufbewahrt, zuerst im alten, heute nicht mehr bestehenden Rathaus an der Harburger Schloßstraße, dem Ratskeller. Seit 1892 aber fanden die Fahnen ihren Platz in einem besonderen Schrank der Gilde im neuen Rathaus. Während der Jahre 1939-1950 wurden sie an einem sicheren Ort aufbewahrt. Nur so blieben sie uns erhalten.
Alljährlich werden die Fahnen im Festzug der Schützengilde zum beginnenden Vogelschießen mitgeführt. Während der Festtage zieren sie das große Schützenzelt auf dem Berge und am Schluss des Volksfestes werden sie in feierlichem Zuge wieder ins Rathaus eingebracht.
Diese Fahnen sind Spiegelbilder des wechselvollen politischen Geschehens in unserer Stadt, sind Zeugen einer langen, langen Reihe von Vogelschießenfeiertagen. Viele Menschen, die sie einst stifteten, die sie trugen und die ihnen folgten, sind längst dahin, die Fahnen aber können noch zu uns sprechen, wenn sie lebendig in das jeweilige Zeitgeschehen in unserer Stadt und in die Entwicklung des Vogelschießens hineingestellt werden.
Der Bestand der Fahnen setzt sich zusammen aus alten Stadtfahnen, Fahnen der Bürgerwehr und den eigentlichen Fahnen der Schützengilde. Schon 1610 muss die Gilde im Besitz einer Fahne gewesen sein. Aus alten Abrechnungen sind die Namen der Fähnriche bekannt.
Eine alte Fahne, dessen Ursprung derzeit nicht bekannt ist, ist das „Banner mit Gildevogel“, welches sich aktuell im Helms-Museum befindet.
Eine alte Fahne, dessen Ursprung derzeit nicht bekannt ist, ist das „Banner mit Gildevogel“, welches sich aktuell im Helms-Museum befindet.
Im Jahre 1667 wurden von der Gilde zwei neue Fahnen angeschafft, die durch Meister Friedrich Güding gemalt wurden. Bei diesen beiden Fahnen handelt es sich vermutlich um die beiden ältesten noch vorhandenen Fahnen der Schützengilde, die im Helms-Museum, wenn auch stark beschädigt, noch heute aufbewahrt werden. Nach der Franzosenherrschaft stiftete im Jahre 1818 der wohlhabende Schiffer Holtzmann als Zeichen des Friedens nach langen unruhigen Jahren eine weiße Fahne „zum Wiedererwachen des Vogelschießens“. Auf weißem Grund ist, umkränzt von Lorbeerzweigen, das Stadtwappen gemalt mit roten Türmen und den springenden Löwen im Tor. Die Inschrift lautet: „FÜR DEN am 26. Juli 1818 ERRICHTETE SCHÜTZENGÜLDE IN HARBURG“. Diese Fahne wurde zu jenem ersten Vogelschießen, das nach schwerer Zeit auf einer Wiese am Außenmühlenteich gefeiert wurde, gestiftet. Die eigentliche Wiedergründung der Schützengilde fand jedoch erst am 4. September 1819 statt. Sie nannte sich damals vorübergehend „Schützengesellschaft“ und hatte 145 Mitglieder, bei einer Einwohnerzahl von 3600 Seelen eine beachtliche Zahl.
Zu den bisherigen (Fahnen) kam noch eine mit dem hannoverschen Landeswappen. Es zeigt den springenden Löwen und das springende Einhorn. Diese Fahne kann auch englischen Ursprungs sein. Eine gleiche Fahne findet sich noch heute im Helms-Museum. Jedenfalls ist die Herkunft und die Datierung noch nicht geklärt. Für 1821 wurden 5 Fahnenträger gewählt, da man eine neue grüne Schützenfahne anschaffte zum Preise von 167 M 13 Pf. Diese Fahne zeigt das Harburger Stadtwappen und trägt die Inschrift: „HARBURGER SCHÜTZENGILDE 1821“. Eine weitere zeigt nur das Stadtwappen ohne Inschrift und Jahreszahl, wie es uns von der „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ bekannt ist. Hier handelt es sich um eine alte Stadtfahne, die nur später mit roten und braunen Bändern neu gefasst wurde, wie ein Vergleich mit der Stadtfahne im Helms-Museum ergeben hat. Auch hier ist das Wappen noch auf weißem Grund auf Seide gemalt. Aus dem Jahre 1834 wird berichtet, dass ein Unbekannter der Schützengilde eine seidene Fahne mit englischem Wappen schenkte. Im Inventarium wird sie als hannoversche Fahne bezeichnet.
Die Fahne der Bürgerinfanterie, wird heute auch gerne als „Jungfrauenfahne“ bezeichnet. Es ist die erste Fahne, die auf der Vorderseite und auf der Rückseite verschiedene Darstellungen trägt und die gestickt ist. Diese schwarz-rot-goldene Fahne trägt in einem Eichenkranz die Inschrift: „Der Bürgerwehr von Harburgs Frauen und Jungfrauen 1848“. Die andere Seite zeigt das Stadtwappen auf blauem Grund im 16-strahligen Stern. Die Inschrift lautet: „Durch Einheit mächtig“. W.C. Ludewig, der Chronist unserer Stadt, berichtet 1848 ausführlich über die Entstehung dieser Fahne. „Junge Damen des Ortes begaben sich von Straße zu Straße, um Beiträge zu sammeln zur Anschaffung der neuen Fahne.“ Weiter heißt es bei ihm: „Die Gaben flossen ziemlich reichlich. In Krämers Salon wurde die Anschaffung der großen deutschen Fahne beraten.“ Die geschickteste und berühmteste Stickerin von Hamburg wurde aufgefordert, diese Fahne gemeinsam mit den jungen Damen zu schaffen. Eine große Damenversammlung auf Krämers Salon beschloß, daß „dieses Meisterwerk harburgischen Kunstfleißes zu ihrer hohen und wichtigsten Bestimmung feierlich eingeweiht werden sollte“. Die Feier fand am 27. August 1848 statt.
Der aus den Mitgliedern der Schützengilde gebildete „Harburger Schützenverein von 1862“ besaß ein besonderes Banner, das noch erhalten ist. Es zeigt von Eichenlaub umrahmt, in schwarz-rot-goldener Fassung gekreuzte Gewehre und darunter ein Pulverhorn mit der Inschrift im Spruchband: „Einigkeit macht stark“. Dieses Banner wurde gestiftet von Ernst Wolff, Sand 4. Es ist handgemalt. Ein Fahnenschild trägt den Spruch: „Lust und Liebe zum Dinge macht Müh‘ und Arbeit geringe“.
Nach der Wiederaufrichtung der Gilde im Jahre 1818 feierte man daher 1868 das 50jährige Bestehen. Der Schützenkönig von 1867, H.W.D. Heiland, stiftete hierzu eine neue Fahne.Sie ist gemalt in den Farben Schwarz-Weiß-Rot und trägt im Spruchband den Namen des Stifter und die Jahreszahl 1868. Der Stifter dieser Fahne hat bei der Übergabe ein Sparbuch in Höhe von 100 Mark überreicht und dabei bestimmt: „Von diesem Buch sind zum Vogelschießen alljährlich 3 Mark abzuheben. Diese 3 Mark sind dem Träger der Heilandfahne auszuzahlen.“ Das Sparguthaben ist längst verfallen. Der Träger der Heilandfahne bekommt jedoch noch heute nach dem Frühstück 3 Mark aus der Kasse der Gilde ausbezahlt.
Das Jubiläumsjahr 1898 brachte der Schützengilde 4 neue Fahnen. Eine stiftete der Hausmakler Christian Eddelbüttel. 3 Fahnen wurden durch Sammlungen beschafft, für 1.300 Mark. Die von Christian Eddelbüttel gestiftete Fahne ist beiderseits gleich, also durchgewirkt. Sie zeigt neben den Farben des Deutschen Reiches oben und unten, die gelb-weißen Farben Hannovers rechts und links. Die Mitte ziert das Wappen der Stadt im Eichenkranz auf hellblauem Grunde. Diese Fahne ist weiter mit 6 Schildern und mit einem Band geziert.
Die zweite Fahne von 1898 zeigt in den Farben Weiß-Rot das Harburger Wappen, umgeben von einem Eichenkranz mit schwarz-weiß-roter Schleife und der Inschrift: „Schützengilde 1898“. Schrift und Wappen sind auf Seide gestickt und zum Teil in Metall gefasst. Die Rückseite zeigt das Harburger Wappen mit der Unterschrift auf weißen Grund: „Dem König treu und treu dem Vaterland, bleib stets, du freier Bürgerstand.“ Auch diese Fahne trägt am Stock Fahnenschilder oder Fahnennägel. Sie wurde hergestellt von der Hildesheimer Fahnenfabrik A. Dreier.
Die dritte Fahne dieses Jahres ist der Vorigen ähnlich. Der Avers zeigt das Stadtwappen auf grünem Grund, auf dem Revers ist auf weißem Grund der Spruch zu lesen: „Üb‘ Aug‘ und Hand fürs Vaterland.“ Auch diese Fahne trägt sieben Fahnenschilder und einen Wimpel von 1912. Christian Voss stiftete ihn zum 50-jährigen Schützenjubiläum.
Die vierte Fahne dieses Jahres 1898 ist auch ein Symbol der Kaiserzeit. Diese gestickte Fahne zeigt beiderseits den Reichsadler. Sie trägt den Spruch: „Allzeit bereit für des Reiches Herrlichkeit!“ Auf den Fahnenschildern lesen wir Namen bekannter Harburger Familien. Der Bürgerverein stiftete am 09.07.1898 ein Schild für diese Fahne.
Im Jahre 1925 erhielt die Schützengilde zwei weitere Fahnen. Die Erste stiftete der Kaufmann Carl Hansen anlässlich seiner 25. Jährigen Zugehörigkeit zur Schützendeputation. Auf weißem Felde erblickt man das große heraldische Wappen von Harburg. Die Rückseite ist in grün gehalten und zeigt im weißen Felde zwei Eichen, darunter die Farben von Schleswig-Holstein. Darin lesen wir das Wort: „Up ewig ungedeelt“. Außerdem wurde diese Fahne später von einem Wimpel geziert mit der Inschrift: „Schützenbund Harburg und Umgebung Bundesmeister 1928“.
Die sogenannte „Reisefahne“ ist eine besonders leichte, die zu Ausmärschen außerhalb Harburgs mitgenommen wurde. Gestiftet ist sie dem Harburger Schützenverein von 1862 vom Hausmakler Fink. Auf der Vorderseite trägt die Reisefahne die Inschrift: „HARBURGER SCHÜTZENVEREIN“. Auf der Rückseite steht zu beiden Seiten eine Eiche der Schützenspruch: „GUTES AUGE, SICHERE HAND UND HERZ FÜR’S VATERLAND“. Dass es sich um eine Reisefahne handelt, bezeugt auch neben anderen Wimpeln einer vom 19. Bundesschießen in Köln.
„EEN WILL – EEN WEG“. Als letzte Fahne sei nun die „Lüdders-Fahne“ aus dem Jahre 1929 erwähnt. Sie wurde vom Senator Lüdders geschenkt. Sie trägt in der Mitte eine Darstellung des Vogels, dem Sinnbild des Vogelschießens einst und jetzt. Als Leitspruch lesen wir in plattdeutscher Sprache: „EEN WILL – ENN WEG“. Möge dieses Wort auch fernerhin das Leitwort der „Harburger Schützengilde von 1528“ bleiben.
Die Wirtschaftsvereinsfahne ist die Jubiläumsfahne zum 425. Jubiläum der Harburger Schützengilde. Der in der Nachkriegszeit gegründete Wirtschaftsverein spendete die Fahne zum Jubiläum und wurde am 14. Juni 1953 überreicht und anschließend geweiht. Überreicht wurde die Fahne im Namen des Wirtschaftsvereins durch Oscar Vidal von der Firma Vidal & Sohn Tempo-Werk GmbH. Bemerkenswert ist, dass schon so kurz nach dem Krieg genug Geld aufgebracht werden konnte um der Schützengilde eine Fahne zu stiften, dies lässt darauf schließen, dass die Verbindung zwischen Gilde und Wirtschaft damals sehr eng war.
Der genaue Ursprung der Richterfahne wird zur Zeit recherchiert, es scheint aber wahrscheinlich, dass Ernst Richter diese Fahne zu seinem Deputationsjubiläum gestiftet hat. Auf der Vorderseite ist der Leitspruch Ernst Richters abgedruckt: „Edel sei der Mensch hilfreich und gut“.
Die 75 Jahre Fahnenjunker-Fahne wurde wohl von Erwin Hagel, damals Gold-auf-Rot-Träger gestiftet. Die Fahne ist recht schlicht geraten, die Vorderseite mit dem Blauen Tuch zeigt das berühmte Herzog Otto konterfrei auf rotem Grund. Warum er selbst Silber und nicht Gold ist, weiß man nicht. Die Rückseite zeigt das Harburger Stadtwappen von Eichenlaub umrahmt.
Die Knopf-Fahne wurde 1988 zum 100jährigen Jubiläum der Knopfsergeantenvereinigung angeschafft. Auf der Vorderseite können Abbildungen des Gildevogels, sowie der Insignien der Knöpfe gesehen werden. Neben dem Hirschfänger bilden die goldenen Knöpfe die Nullen einer 100. Das hundertjährige Bestehen dieser Gliederung fiel mit einem weiteren Jubiläum zusammen, dem 700. Jubiläum der Stadt Harburg, der wurde nämlich am 06. Mai 1288 durch eine Urkunde König Rudolfs von Habsburg Freiheitsrechte verliehen: Harburg war nun ein eigener Rechts- und Grenzbezirk innerhalb des Fürstentums Celle-Lüneburg. Daher ziert die Rückseite der Fahne der Spruch „700 Jahre Stadt Harburg“ über dem Harburger Rathaus, sowie die Jahreszahl 1988. In den Ecken findet sich jeweils das Harburger Stadtwappen.
Zum 100. Jubiläum der Fahnenjunker Vereinigung von 1909, stiftete Wolfgang Aschendorf eine Jubiläumsfahne. Das Ergebnis kann auf den Fotos bestaunt werden. Die Vorderseite schmückt das berühmte Konterfrei Herzog Ottos sowie das Gründungs- und Jubiläumsjahr der Fahnenjunkervereinigung der Harburger Schützengilde. Die Rückseite bezieht sich nun deutlich mehr auf die Fahnenjunkervereinigung und ihre Insignien. Oben links wird der Montagsvogel gezeigt. Das Montagsvogelschießen war einst das Schießen um den „kleinen König“, der wohl heute als Vizekönig bezeichnet werden kann. Irgendwann wollte die Deputation das „kleine Vogelschießen“ einstellen. Kurzerhand entschieden die Fahnenjunker dieses Vogelschießen am Leben zu erhalten und nannten es fortan Montagsvogelschießen. Oben Rechts erscheinen der Hut und die Gerte der Marketenderin, die zu jedem Vogelschießen versucht den Strumpf zu füllen, der hier ebenfalls abgebildet ist. Unten links das Fass und der Fuchsschwanz, welche die jeweils jüngste Neuaufnahme der Fahnenjunervereinigung während des Vogelschießens trägt. „Der Fuchs“, wie er genannt wird, begleitet die Marketenderin und verkauft Schnäpse, deren Erlös ebenfalls in den Strumpf wandern. Unten Rechts das Banner der Familie Strumpf, der Fahnenjunkerfamilie, sozusagen der „Strumpfbegünstigten“. In der Mitte eine exemplarische Abbildung der Fahnenjunker, die hier noch die alten Schirmmützen tragen, heute tragen die Fahnenjunker einen Schützenhut. Gerahmt wird das Bild von „een vernünftig Wort Prost!“, eine Hommage an das Fahnenjunkerlied, welches gesungen wird um den Spender einer Runde Getränke zu danken.
In den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts (19. Jahrhundert) wird noch von zwei Schützenfahnen berichtet, die heute nicht mehr vorhanden sind. Es waren das: eine vom Maler Ziegler 1843 gestiftete und von ihm selbst gemalte Fahne, zum anderen handelt es sich um eine hellblaue seiden Fahne, die 1844 von der Schützengilde angekauft wurde. Der 2. Weltkrieg und die Nachkriegszeit ließen kein Vogelschießen zu und viele damals aktive Fahnenjunker waren zum Kriegsdienst eingezogen worden. Es wurde von den Kameraden versucht auch in den Kriegszeiten Kontakt untereinander zu halten. Im Krieg wurde nur eine Fahne zerstört, nämlich die einzige mit Bezug zur NS-Zeit, die so genannte Reichssportflagge. Alle anderen Fahnen konnten von dem damaligen Deputationsmitglied Ernst Richter, am 11. November 1944, während der teilweisen Zerstörung des Harburger Rathauses, aus den Trümmern gerettet und in den Räumen der Kreissparkasse Harburg versteckt werden. Ihm ist es besonders zu verdanken, dass diese wertvollen Symbole der Schützengilde erhalten geblieben sind.
Texte: Walter Schwarzkopf, Nico Ehlers